Diskutieren über einen toten Gott und die perfekte Welt
Das Wort „Theologie“ klingt ziemlich abstrakt und trocken – und bestimmt nicht nach etwas, womit junge Menschen eine Woche Ferien verbringen möchten. Könnte man meinen. Am Campus Kappel zeigt sich ein anderes Bild.

 

Im historischen Kloster in Kappel am Albis haben rund dreissig junge Menschen zwischen 16 und 22 Jahren eingecheckt, um über Gott und die Welt zu diskutieren. Der Grund: zum vierten Mal findet der Campus Kappel statt. Die fünftägige Akademie wird von den reformierten Landeskirchen der Deutschschweiz veranstaltet – mit dem Ziel, jungen Menschen das wissenschaftliche Feld der Theologie näher zu bringen.

Pfarrer und Prominente

In der Woche werden vier grosse Fragen diskutiert. Die meisten haben auf den ersten Blick nur wenig mit Theologie zu tun. „Ist Gott tot?“, „Wie aggressiv darf ich sein?“, „Wie viel Fremdes vertragen wir?“ und „Wie perfekt muss ich sein?“, lauten die Themen. Obwohl es bei der Woche um christliche Theologie geht, findet sich eine grosse Bandbreite an Meinungen und Glaubensrichtungen. Die Gäste sind Theologinnen und Sozialarbeiter, Pfarrer und Prominente. Die Zürcher Schauspielerin und ehemalige Miss Teenie Zoë Holthuizen und der Musiker Dabu Bucher von Dabu Fantastic sind die bekanntesten Namen dieses Jahr. Auch ein Militärhistoriker und ein Islam-Theologe sind eingeladen. In Referaten, Podiumsdiskussionen und Workshops bringen sie ihre Meinungen und Erfahrungen ein.

Dazwischen ist Kennenlernen, Diskutieren und Freizeit angesagt. Das Kloster Kappel hat eine spannende Geschichte, in die Interessierte bei einer Führung eintauchen können. Ein Volleyballfeld lockt zur sportlichen Betätigung.

 

Diskutieren bis in die Nacht

All das wäre Grund genug, nach Kappel zu kommen. Doch für die Teilnehmenden, die schon zum zweiten Mal dabei sind, gibt es weitere Gründe. Selten treffe ich eine solch grosse Gruppe an Gleichaltrigen, die genauso viel Spass am Diskutieren haben wie ich. Oft gehen die Diskussionen noch lange nach dem offiziellen Programm weiter. Das Gespräch, das beim Abendessen beginnt, wird bis spät abends fortgesetzt. Das Kloster Kappel ist dafür perfekt. Es bietet genug Platz und schöne Oasen zum Chillen und Reden. Auch fern von Theologie tut es gut, sich mit Leuten in einer ähnlichen Situation auszutauschen. Viele haben gerade die Schule abgeschlossen oder bereits ein Zwischenjahr eingelegt. Alle denken darüber nach, was sie studieren wollen. Valeria Sogne, die den Teilnehmenden das Theologiestudium vorstellt, war vor zwei Jahren selbst beim Campus Kappel dabei. Für sie war die Woche die Inspiration für ihre Studienwahl.

Unterschiedliche Weltbilder

Weil die Inhalte das eigene Welt- und Gottesbild ziemlich erschüttern können, sind vier junge Pfarrerinnen und Pfarrer dabei, die als „Coaches“ je eine Gruppe von Teilnehmenden betreuen. Jeden Abend treffen sie sich mit ihren Gruppen, um auf den Tag zurückzublicken. Wie fanden wir das heutige Thema? Welche Gäste haben uns Eindruck gemacht? Was ist uns aus den Diskussionen geblieben? Persönliche Schwierigkeiten werden aufgefangen und ausdiskutiert. Die Coaches erzählen ausserdem allen, die es interessiert, von ihrem Beruf – wie sie dazu gekommen sind, Pfarrer zu werden, und warum sie es bis heute gerne sind.

 

Daneben hat jede Gruppe eine kleine Aufgabe. Es gibt ein Deko-Team für die Verschönerung des Alltags, ein Hosting-Team, das die Gäste des Tages verdankt, eine Freizeit-Gruppe, die Aktivitäten für den Nachmittag plant und das Reporter-Team, das unter anderem für diesen Artikel verantwortlich ist. Passenderweise wird diese Gruppe von einem medienerfahrenen Coach betreut: Von der Wort zum Sonntag-Moderatorin und Pfarrerin Sibylle Forrer.

 

Der Campus Kappel soll junge Menschen für Theologie begeistern. Er ist aber viel mehr als gutes Marketing fürs Theologiestudium. Es ist eine Woche der Begegnungen und Erkenntnisse. Ich bin das dritte Mal dabei und kann aus eigener Erfahrung sagen: Ich bin nach jedem Campus Kappel als anderer Mensch zurückgekommen. Diese Erfahrung wünsche ich auch anderen.


Weitere Infos findest du unter www.campuskappel.ch